Beitrag von Claudia Schieren im subLetter 6/2023
Wie stellen Drogengebrauchende sich ihr Dasein im Alter vor? Wann steht der Umzug in ein Wohnheim an? Und wie sollte die Unterbringung sein, damit ein Gefühl von Wohlbefinden eintreten kann? Um diese Fragen zu beantworten, lud der JES-Bundesverband (Junkies, Ehemalige und Substituierte) über Aids- und Drogenhilfen sowie Landesstellen für Suchtfragen Drogengebrauchende zu einer Umfrage ein. Die Ergebnisse sind aufschlussreich.
144 Teilnehmende …
Im Umfragezeitraum von Mai bis August 2023 nahmen 144 Personen an der Befragung teil, davon 95 Männer, 48 Frauen und eine diverse Person. Viele antworteten online, im Justizvollzug wurde die Teilnahme in Papierform ermöglicht. Das Lebensalter der Teilnehmenden zeigt bereits, dass sich maßgeblich Personen beteiligten, für die das Thema Wohnen im Alter unmittelbar oder zeitnah eine Bedeutung hat. So nahmen lediglich 12 Personen im Alter von 22 bis 39 Jahren (8 %) teil. 59 Teilnehmende waren im Alter von 40 bis 54 Jahren (41 %) und 57 Teilnehmende im Alter von 55 bis 64 Jahren (40 %). Über 65 Jahre waren 16 Teilnehmende (11 %).
… die meisten leben allein
Von den Befragten leben 100 Menschen selbstständig in Mietobjekten, 17 Personen sind in einer betreuten Wohnform untergebracht und 12 Personen leben ohne eigenes Obdach. Etwa zwei Drittel der befragten Personen (63 %) leben allein und geben an, dass ihre Versorgung im Alter außerhalb eines Wohnprojekts nicht gesichert ist. 21 Personen (15 %) leben in Partnerschaft, während 14 Personen (10 %) mit ihren Familien und 17 Personen (12 %) in einer Zweckgemeinschaft leben.
Die Tatsache, dass 63 % der Beteiligten allein leben, unterstreicht die gesellschaftliche Isolation und die Sorge vor Vereinsamung.
86 % der Teilnehmenden leiden unter einer chronischen Erkrankung wie COPD, Hepatitis C, Diabetes oder einer anderen Erkrankung. 70 % gaben an, dass der Konsum von Substanzen wie Heroin, Amphetaminen, Kokain, Cannabis sowie psychoaktiven Substanzen aktuell eine Rolle in ihrem Leben spielt. Ebenfalls 70 % befanden sich zum Zeitpunkt der Befragung in einer Substitutionsbehandlung. Nachdenklich stimmt, dass sich etwa 8 % außerhalb des ärztlichen Settings mit Medikamenten versorgen, die zur Substitution zugelassen sind. Für 79 % stellt die Substitutionsbehandlung eine Option als lebenslange Begleitbehandlung dar. Dies bestätigt die hohe Haltekraft der Substitutionsbehandlung.
Klassische Senioreneinrichtung ist für das Alter unrealistisch
In den eigenen Räumen zu bleiben, soweit wie möglich selbstständig zu leben und bei Bedarf eine ambulante Pflege in Anspruch nehmen zu können, wurde am meisten genannt. Die Vorstellung, in einer klassischen Senioreneinrichtung zu leben, ist für den überwiegenden Teil der Befragten nicht realistisch. Ein Leben in einem Mehrgenerationenhaus käme für 43 Personen infrage. 78 Teilnehmende möchten in einer betreuten Wohnform leben, wenn sie alleine nicht mehr zurechtkommen.
Bei der Entscheidung, welches Angebot infrage kommt, spielen einige Faktoren eine bedeutende Rolle:
- 87 % aller Befragten ist ein Umgang auf Augenhöhe wichtig.
- Eine konsumakzeptierende Haltung ist für 66 % unabdingbare Voraussetzung.
- Wenn ihnen die finanzielle Entscheidungsfreiheit genommen wird, ist das für 71 % der Teilnehmenden ein Ablehnungsgrund.
Weitere Faktoren sind die Option auf ein Einzelzimmer sowie jederzeit selbst über Besuche zu entscheiden.
Alle Teilnehmenden wünschen sich ein menschenwürdiges Dasein im Alter, ohne jegliche Art von Kontrollen. Hintergrund ist, dass viele Teilnehmende einen großen Teil ihres Lebens in stationären und ambulanten Settings zugebracht haben bzw. inhaftiert waren. Ihr Leben war durch Kontrollmaßnahmen sowie vom Entzug der Entscheidungsfreiheit geprägt.
Ein großer Teil der Befragten hat bisher keine Patientenverfügung getroffen oder kann nicht auf Ersparnisse zurückgreifen. Demnach ist es nicht überraschend, dass viele in persönlichen Anmerkungen ihrer Angst vor einem Leben im Alter Ausdruck verliehen. Die Befragung des JES-Bundesverbands macht deutlich, dass ein Einbezug von potenziell betroffenen Menschen einen hohen Wert hat, besonders im Hinblick auf die Implementierung von Wohnprojekten, die zumindest einen Teil der Bedarfe aufgreifen.
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