Ungeduld ist nachvollziehbar, aber auch hilfreich?

Ein Kommentar von Dirk Schäffer

Viele Millionen Menschen die illegale Substanzen konsumieren sind je nach Lebensalter seit Jahren oder Jahrzehnten mit Schwarzmarkt, Verfolgung, Bestrafung, Ausgrenzung oder gar Inhaftierung konfrontiert.

Auch ich bin vor vielen Jahren als jugendlicher „Erstbestrafter“ Konsument zu einer Haftstrafe von mehr als zwei Jahren für den Erwerb, Besitz und die Weitergabe von Heroin verurteilt und inhaftiert worden. In Haft wurde der Konsum unter erschwerten Bedingungen fortgesetzt. Nicht nur, dass mein abhängiger Konsum von Opiaten dort nicht behandelt wurde, mit der Inhaftierung konnte ich gleichzeitig meinen Berufswunsch an den Nagel hängen und ich verlor meinen Führerschein.

Nach der Entlassung ging alles von vorne los. Aber fortan engagierte ich mich in der Selbsthilfe und machte irgendwann mein persönliches und ehrenamtliches Anliegen zu meinem Beruf. Seit fast 30 Jahren versuche ich meinen bescheidenen Teil dazu beizutragen, um gesellschaftliche und politische Veränderungen zu erwirken.

Auch wenn es punktuelle Erfolge zu verzeichnen gab, ist es sicher nicht übertrieben zu sagen, dass sich ohne äußere Einflüsse wie HIV, Hepatitis C und Drogentodesfälle noch deutlich weniger bewegt hätte.

Ich kann die Ungeduld gegenüber politisch Verantwortlichen verstehen. Dennoch blicke ich verwundert in Kanäle der sozialen Medien, in denen die neuen politischen Verantwortlichen und der neue Drogenbeauftragte, alle seit wenigen Wochen im Amt, krass unter Druck gesetzt werden.

Hintergrund ist, dass der Erwerb und Besitz immer noch illegal ist und Cannabis immer noch nicht über lizensierte Läden vergeben wird. Manchmal schäme ich mich über diese Art des Umgangs. Denn bei aller Ungeduld und bei allem nachvollziehbarem eigenem Leid seit Tagen, Monaten, Jahren und Jahrzehnten ist das weder fair noch zielführend. Ich weiß bereits jetzt, dass ich mit diesem persönlichen Kommentar viel Kritik ernten werde und als „Politikversteher“ oder gar als „Verräter“ gelten werde. Wer ernsthaft angenommen hat, dass wenige Wochen nach der Amtseinführung grundlegende gesetzliche Veränderungen vollbracht sind, ist ein Träumer bzw. eine Träumerin. Wer die neuen gesundheitspolitisch Verantwortlichen wegen Untätigkeit kritisiert, weil Politikerbashing gerade auf ungeteilte Zustimmung stößt, leistet keine Unterstützung für eine neue Zeitrechnung in Sachen Drogenpolitik.

Auch ich bin ungeduldig, sehr ungeduldig, aber es macht nur Sinn, den neuen politisch Verantwortlichen unsere Unterstützung anzubieten.  Messen wir sie am ersten Gesetzentwurf. Dieser wird noch viele Monate dauern, aber dieser erste Versuch muss passen und auch jene überzeugen, die  einer Entkriminalisierung und einer regulierten Abgabe zurückhaltend gegenüberstehen.

Tragen wir unseren Teil dazu bei, um Politik zu beraten um den zurückhaltenden oder gar kritischen Teil unserer Gesellschaft zu gewinnen. Zu gewinnen mit unseren Erfahrungen unseren Gefühlen und unserem Leid, das uns in den letzten 40 Jahren der Prohibition an Körper und Seele zugefügt wurde.