Frankfurter Bahnhofsviertel 2025: Kritik am 7-Punkte-Plan, Zwangseinweisungen & KI-Überwachung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Interview und Ankündigung des 7-Punkte-Plans

Im März 2025 erschien in der FAZ ein Interview mit dem hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein zur Frankfurter Drogenszene im Bahnhofsviertel (BHV). Darin kündigte er seinen sogenannten 7-Punkte-Plan an und sagte wörtlich, er wolle „das Bahnhofsviertel soweit es geht, für Suchtkranke schließen“.

Dies, obwohl das BHV öffentlicher Grund ist und dort dem Grundgesetz nach keine Gruppe von Menschen ausgeschlossen werden darf.

 

Hintergrund: Fußball-EM 2024 und internationale Berichterstattung

Bereits im Sommer 2024, während der Fußball-EM, geriet Frankfurt ins internationale Rampenlicht.

Die britische Boulevardzeitung The Sun veröffentlichte einen diffamierenden Artikel über angebliche „Zombies“ im „Zombieland“ – eine menschenverachtende Darstellung von Menschen, die im BHV leben müssen. Zombies sind tot, die Menschen im BHV aber leben noch.

Ironischerweise hat Großbritannien mehr als doppelt so viele drogenbedingte Todesfälle wie Deutschland.

Was in der Berichterstattung und Diskussion nahezu immer fehlt, ist die Tatsache, dass auch viele der Partytouristen im BHV Drogen kaufen, Koks oder Ecstasy zum Beispiel. Auch das sind Konsumierende, die aber niemand vertreiben möchte, weil sie Umsatz in die Laufhäuser und Kneipen bringen. Das ist eine Deutschland einzigartige Konstellation, die ganz sicher viel zu den Problemen im BHV beiträgt.

 

Historische Parallelen: Von Schoeler 1991

Bereits 1991 versuchte der damalige Frankfurter OB Andreas von Schoeler mit der Räumung der Taunusanlage die Szene zu vertreiben.
Das Ergebnis: Mindestens 141 drogengebrauchende Menschen starben in Frankfurt allein in Jahr 1991. Die Szene zog ins BHV – bis heute auf vier Straßen konzentriert. In denen man nicht entlanglaufen muss, wenn man das Elend nicht sehen will. Man kommt auch auf anderen Wegen, z. B. der Kaiserstraße schnell ins Bankenviertel und da gibt es außer am Kaisersack in der Regel nur wenig bis gar keine Konsumierenden.

 

Eigentümerinitiative und soziale Rechtslage

Nicht nur eine neue Eigentümerinitiative aus Geschäftsleuten, Banken und Hoteliers fordert, dass Drogengebrauchende aus anderen Regionen nicht länger in Frankfurt Hilfe erhalten. Ministerpräsident Rhein unterstützt dies – und missachtet dabei geltendes Sozialrecht, nach dem obdachlose Menschen vom ersten Tag an der Kommune zugehörig sind, in der sie sich befinden.

Berichten zufolge wird dieses Vorgehen bereits beim Drogennotdienst in der Elbestraße praktiziert. Der Frankfurter OB Mike Josef hat in Absprache mit Wolfgang Barth die Regelung getroffen, dass dort auswärtige Konsumierende nur noch eine Notfallversorgung erhalten sollen.

 

Einige Gründe für den Aufenthalt obdachloser Menschen in Frankfurt

Viele Betroffene kommen nach Frankfurt, weil dort Drogen günstiger sind und Repression in anderen Bundesländern – etwa in Bayern – deutlich härter ausfällt.

Bayern und sechs weitere Bundesländer haben keine Drogenkonsumräume (DKR) und weisen hohe Todeszahlen auf. Drogenszenen werden immer wieder vertrieben und es gibt teils hohe Strafen für kleine Mengen.

 

Gesetzesnovelle zum Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz

Parallel zum 7-Punkte-Plan brachte die hessische Landesregierung eine Gesetzesnovelle ein, die u. a. vorsieht:

  1. Erweiterung auf Suchtkranke – obwohl diese bereits als psychisch krank gelten, und damit vom Gesetz sowieso schon umfasst werden.
  2. Meldung an Polizei und Ordnungsamt bei Entlassung fremdgefährdender Personen – faktisch überflüssig. Denn fremdgefährdende Personen werden in aller Regel nicht entlassen. Im Gesetzentwurf
  3. Zwangseinweisung bei „besonderer Verelendung“ – hier handelt es sich um eine unklare Definition, es besteht die Gefahr willkürlicher Anwendung. Im Text der vorgeschlagenen Novelle steht allerdings auch das Wort „Eigengefährdung“ und dass diese Menschen ebenfalls zwangseingewiesen werden sollen, wenn sie „besonders verelendet“ sind. Doch wer definiert das? Was ist, wenn diese Menschen niemanden belästigen oder keine Straftaten begehen? Ganz davon abgesehen, dass es gar nicht genug freie Plätze für so viele Menschen in den hessischen Psychiatrien gibt.
  4. Verdoppelung von Aufenthaltsverboten von 6 auf 12 Tage – Haft ohne Richter. Dazu noch bis zu 2 Jahre Haft bei wiederholtem Verstoß – auch für Konsumierende.
  5. Testprojekt: Kameraüberwachung mit KI-Gesichtserkennung im BHV – betrifft alle Anwohnenden und auch Menschen, die einfach nur dort entlanggehen. Sollten erste Klagen dagegen nicht erfolgreich sein, wird das in allen Bundesländern Standard werden es wahrscheinlich nicht DSGVO-konform ist.

 

Kritik und Folgen der Pläne

  • Es gibt große Datenschutzbedenken und zweifelhafte Wirksamkeit.
  • Falls es Realität wird, werden überfüllte Gefängnisse und Psychiatrien die Folge sein. Anstatt dieses Geld in mehr Behandlung und Therapieplätze zu stecken.
  • Missbräuchliche Begründung unter anderem mit dem Hanau-Attentat, das nichts mit Drogen zu tun hatte. Der Täter war nicht gesichert psychisch krank, aber rechtsextrem.

 

Reaktionen und Widerstand

Organisationen, Fachgesellschaften wie die DGPPN und zahlreiche Einzelpersonen haben gegen die Pläne Stellung bezogen.

Ein Register für psychisch Kranke zu schaffen, erinnert historisch an die Nazi-Zeit – mit allen ethischen und rechtlichen Konsequenzen. Ganz sicher schafft die Pläne große Verzweiflung bei den Menschen, die dort auf der Straße leben müssen. Das nach wie vor größte Problem dort ist fehlender Wohnraum.

 

Hier findet Ihr unsere beiden Statements zur geplanten Gesetzesnovelle und dem 7-Punkte-Plan

Statement_Aenderung_Psych_KH_Gesetz_leer

Statement_7_Punkte_Plan_leer